Legendäre Videospiele: Tetris

Tetris auf dem Game Boy: Wie ein sowjetisches Spiel die Welt eroberte
Als Nintendo 1989 seinen Game Boy veröffentlichte, hatte kaum jemand geahnt, dass gerade ein einfaches Puzzle-Spiel den Handheld zu einem weltweiten Phänomen machen würde. Die Rede ist von Tetris – einem Spiel mit klaren Regeln, minimalistischer Grafik und süchtig machendem Gameplay. Doch die Geschichte hinter Tetris ist ebenso faszinierend wie das Spiel selbst. Sie reicht zurück in die Sowjetunion, mitten in den Kalten Krieg, und ist geprägt von politischen Hürden, Lizenz-Streitigkeiten und einem brillanten Geschäftssinn von Nintendo.

Der Ursprung: Tetris entsteht im Kalten Krieg
Tetris wurde 1984 von Alexei Paschitnow, einem sowjetischen Computerwissenschaftler am „Dorodnitsyn Computing Centre“ der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, entwickelt. Er ließ sich dabei vom Brettspiel Pentomino inspirieren, bei dem man geometrische Formen zu einem Rechteck zusammensetzen muss.
Paschitnow schrieb die erste Version von Tetris auf einem Elektronika 60, einem sowjetischen Computer ohne grafische Benutzeroberfläche. Die Klötze (Tetrominos) wurden durch einfache Buchstaben oder Zeichen dargestellt. Doch das einfache Spielprinzip hatte sofort Suchtpotenzial – auch unter seinen Kollegen, die es weiterverbreiteten.

Die große Herausforderung: Ein Spiel aus der Sowjetunion im Westen?
In den 1980ern war Software-Eigentum in der Sowjetunion staatlich – individuelle Urheberrechte gab es de facto nicht. Das bedeutete, dass Paschitnow sein Spiel nicht selbst vermarkten durfte. Stattdessen übernahm eine sowjetische Handelsorganisation namens ELORG (Elektronorgtechnica) die Rechtevergabe.
Hier begann ein regelrechter Lizenz-Wirrwarr: Verschiedene westliche Unternehmen – darunter Robert Stein (Andromeda Software), Spectrum Holobyte, und später Mirrorsoft – versuchten, sich die Rechte zu sichern. Doch die Verträge waren oft unklar und mehrdeutig. Manche Firmen erhielten Rechte für Heimcomputer, andere glaubten, Rechte für Arcade- oder Konsolenversionen zu besitzen – auch wenn sie diese gar nicht hatten.

Nintendo sieht das Potenzial – und handelt schnell
Als Nintendo in den späten 1980ern an einem Launch-Titel für den kommenden Game Boy suchte, wurde Henk Rogers, ein niederländisch-amerikanischer Geschäftsmann mit Sitz in Japan, auf Tetris aufmerksam. Rogers erkannte, dass dieses Spiel die perfekte Zielgruppe anspricht – nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene.
Er flog 1989 nach Moskau, direkt zu ELORG, um die Rechte für Handheld-Konsolen zu sichern – und das noch vor seinen westlichen Konkurrenten. Es gelang ihm, die sowjetischen Beamten von seinem Angebot zu überzeugen, indem er ihnen die Lizenzstruktur besser erklärte als jeder andere zuvor. So bekam Nintendo exklusiv die Rechte für Tetris auf Handhelds, was den Weg für die Game-Boy-Version ebnete.

Der Erfolg: Tetris macht den Game Boy zum Kultgerät
Tetris wurde dem Game Boy als Bundle beigelegt – anstelle von Super Mario oder einem anderen typischen Actionspiel. Nintendo hatte erkannt, dass die schlichte Mechanik und der universelle Reiz von Tetris ideal waren, um das neue Gerät auch bei Erwachsenen und Nicht-Gamern populär zu machen.
Der Plan ging auf: Tetris wurde ein weltweiter Hit. Der Game Boy verkaufte sich über 118 Millionen Mal, und Tetris war eines der meistgespielten Spiele der 90er-Jahre. Es setzte Maßstäbe dafür, wie Spiele auf Handheld-Geräten aussehen sollten – kurz, eingängig und süchtig machend.

Fazit: Von Moskau in die Westentasche der Welt
Die Geschichte von Tetris ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein simples Spielkonzept, eingebettet in einen komplexen geopolitischen Kontext, die Videospielgeschichte für immer verändern konnte. Was als Freizeitprojekt eines sowjetischen Wissenschaftlers begann, wurde durch Zufall, Hartnäckigkeit und strategisches Geschick zum Kronjuwel des Game Boy – und zum Inbegriff des mobilen Spielens.
Fun Fact:
Alexei Paschitnow verdiente anfangs kein Geld mit seinem Spiel – erst nach dem Zerfall der Sowjetunion, als die Rechte wieder an ihn zurückfielen, konnte er von seinem Werk profitieren. Heute gilt er als Legende der Spieleentwicklung.

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